Netzwerk zur Messung von Feinstaub und Klimadaten in Bottrop
Einen Auftaktworkshop, um Sensoren und Gateways für Bottroper Bürgerinnen und Bürger zu installieren, führte das Projekt mit Caspar Armster und Jens Nowak (Bad Hennef) als Referenten am 12.12.2020 durch; darauf aufbauend folgte der nächste Workshop mit weiteren neuen Sensoren am 17.7.2021. Unsere Referenten bauten die Sensoren, richteten diese im LoRaWAN-Netz und auf drei Visualisierungsplattformen (opensensemap, luftdaten.info, grafana) ein. Die Teilnehmerinnen un Teilnehmer wurden so in sehr verständlicher Weise an die Thematik von LoRaWAN und Feinstaubmessungen herangeführt.
Seit dem ersten Workshop in Bottrop, der wegen der Corona-Pandemie bereits online umgesetzt werden musste, werden Messdaten durch Sensoren in Bottrop an lokal aufstellte Gateways gesendet, die im The Thingsnetwork (TTN) eingebunden sind. Damit wurde eins der größten zusammenhängenden Community-Netzwerke in Deutschland zur Messung von Feinstaub und Klimadaten per LoRaWAN aufgesetzt, um einen Startpunkt für Aktivitäten im Open-Data und Citizen-Science-Bereich zu schaffen.
Interessierte können auf zwei öffentlich zugänglichen Wegen die Datendarstellungen aufrufen, um die Messergebnisse der laufenden Geräte zu sehen:
1) Luftdateninfo (Map Sensor.community) mit Layer für die Windrichtung
http://ruhrgebiet.maps.sensor.community/#15/51.279/6.9490
Screenshot zu Map Sensor.Community
2) Opensensemap mit Sensor 02 als Startpunkt:
https://opensensemap.org/explore/5fc89076fab469001cc7abc7
Screenshot zur Datenvisualisierung mit Opensensemap
Die Workshopteilnehmer können zudem mit eigenen Accounts per Grafana auf Visualisierungen der Messwerte und den LoRa-Status der Geräte zurückgreifen. Diese Plattform wird ebenfalls durch Caspar Armster und Jens Nowak betrieben.
Screenshot zu Grafana
Hintergrund
Anlass der Aktivitäten war die Untersuchung der umstrittenen Luftqualität im geographischen Umfeld einer Kokerei in Bottrop. Durch deren Emissionen u.a. von Benzoapyrenen wurden seitens der Stadt Bottrop umfangreiche Verzehrverbote für bestimmte Gemüsesorten aus den betroffenen Stadtteilen ausgesprochen. Näheres dazu findet sich in einem aktuellen Bericht des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz des Landes NRW (LANUV) anhand von Grünkohluntersuchungen (Stand: 10.03.2021).
Da keine brauchbaren LoRa-Sensoren zur Messung von Benzoapyrenen in Luftgemischen verfügbar sind, sollte die Luftbelastung in Bottrop als Anhaltspunkt mit Sensoren gemessen werden, die bereits im Rahmen des Projekts luftdaten.info zum Einsatz kommen. Die Hypothese damit verbundene geht davon aus, dass es mit Staubpartikeln (PM10/PM2.5) zu Verwehungen von anderen Schadstoffen kommt, an die sich als bspw. Aerosole wie Benzoapyren an die Staubteilchen binden. Die o.g. Messung des LANUV arbeitet mit einem völlig anderen Messverfahren, nämlich mit Grünkohlpflanzen, die die Schadstoffe auf ihrer großen Blattoberfläche binden; dieses Verfahren zeigt im Ergebnis die Anreicherung von sehr giftigen Substanzen in den Pflanzen, wie in dem zuvor genannten Bericht dargelegt wird.
Unsere Sensoren
Wir verwendeten für die Feinstaubmessungen folgende Hardware in unseren Sensoren:
- LilyGO TTGO T3 LoRa32 868MHz V2.1.6 ESP32 - Model: LILYGO-H240-01 (Mikrocontroller)
- Nova SDS011(Feinstaubsensor)
- BME280/BMP290 (Bosch Klimasensor) für Luftdruck, Luftfeuchte, Temperatur
Die Erfahrungen über eine halbes Jahr Laufzeit zeigten, dass der TTGO T3 zuverlässig arbeitete. Bei zwei von 20 Geräten im ersten Aufschlag kam es zu Ausfällen des Lüfters des Nova SDS011. Diese Geräte mussten daher vollständig ausgetauscht werden.
Untersuchungen zur Datenvalidität dieses Sensors im Vegleich mit anderen liegen seit 2018 vor und zeigen, für dieses Gerät nachweisbare Verzerrungen der Feinstaubmessdaten, sobald die Luftfeuchtigkeit deutlich ansteigt (s. dazu M. Budde u.a., Suitability of the Low-Cost SDS011 Particle Sensor for Urban PM-Monitoring, 2018).
Die Bosch-Klimasensoren produzierten überwiegend brauchbare Ergebnisse. In Einzelfällen kam es jedoch zu kuriosen Werten oder Totalausfällen. Nach diesen Erfahrungen ist davon auszugehen, dass sowohl der BME280 als auch der BMP290 nicht in jedem Falle für den permanenten Außeneinsatz geeignet sind, obwohl die Mehrzahl der von uns eingesetzten Geräte über mehrere Monate valide Daten liefern.
Download der Rohdaten
Wer sich für den Download der von uns erstellten Rohdaten interessiert, wird auf der Plattform opensensemap.org fündig:
Dort lässt sich nach der Auswahl der Kartenregion mit den jeweiligen Sensoren der >Datendownload< (oberste Zeile) vornehmen. Man wählt dazu zunächst den Zeitraum aus: Entweder "Letzte 24-St.", "Letzte Woche", "Letzter Monat" oder erzeugt über einen Klick auf die Kalenderfelder einen selbst gewählten Zeitrahmen. Danach kann die Art der Datengruppierung (Rohdaten, 10-Minuten-Mittel, Stundenmittel, Tagesmittel) und der Sensor (PM10, PM2.5, Temperatur, relative Luftfeuchte, Luftdruck) bestimmt werden.
Die heruntergeladenen Daten, die als csv-Pakete ausgeliefert werden, können dann im Gefolge mit offiziellen Messwerten verglichen werden.
Vergleich von offiziellen und selbst erstellten Messwerten
Will man einen solchen Vergleich durchführen, wird man im Bereich "offizieller" Messergebnisse auf dem LANUV-Server fündig, wo Stundenmittelwerte z.B. für PM10 oder Resultate für O3, NO, NO2, SO2 und Wetterdaten für den Zeitraum der letzten 365 Tage als Tages- oder Monatswerte abrufbar sind. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Umrechnung der Stundenmittelwerte einzelne Peakwerte bereits verfahrenstechnisch glättet.
Auf dem LANUV-Server ist zudem eine Auswahl von Messwerten für verschiedene Orte kombinierbar.
Als Stichprobe für Bottrop können bspw. die Ergebnisse unserer fast 30 Sensoren in den Datenvergleich mit sechs Sensoren des LANUV treten, von denen sich vier auf dem Gelände der Kokerei befinden, einer in Bottrop-Welheim und ein weiterer in der Peterstraße. Dabei sind für sämtliche Quellen stets Datenlücken durch Ausfälle zu beachten.
Wer sich auf die Schnelle komfortabel einen Überblick über die Messwerte unserer Sensoren verschaffen will, kann auf der opensensemap oder luftdaten.info bereits in verschiedene Visualisierungen der Daten (moving average, Einzelmessungen mit Peaks) einzelner Sensoren anschauen und herunterladen.
Insgesamt ist bei der Messung von Feinstaub - neben den Quellen aus dem Agrarbereich, großräumigen Partikelverwehungen, Emmisionen aus dem Verkehr und der Industrie - die zunehmende Kontamination durch private Holzöfen zu berücksichtigen. Letztere führt z.T. zu starken lokalen Emissionen, wie ein Bericht des Wissenschaftsmagazins nano auf 3sat vom 31.03.2021 erläutert.
hh, 7.9.2021 (update)